Deinococcus radiodurans

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Deinococcus radiodurans

Deinococcus radiodurans

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Deinococcus-Thermus
Ordnung: Deinococcales
Gattung: Deinococcus
Art: Deinococcus radiodurans
Wissenschaftlicher Name
Deinococcus radiodurans
(ex Raj et al. 1960) Brooks and Murray 1981

Das Deinococcus radiodurans (ehemals als Micrococcus radiodurans bezeichnet) ist ein polyextremophiles Bakterium, das gegen ionisierende Strahlung auch in sehr hohen Dosen resistent ist. Es gehört zu den gram-positiven Kokken, besitzt jedoch eine für gramnegative Bakterien typische Zellwand. Das in der gramnegativen Zellwand enthaltene Lipid A fehlt.

D. radiodurans vermag noch bei chronischen (andauernden) Strahlendosen von 60 Gy pro Stunde zu wachsen und zu gedeihen.[1] Die mittlere Letaldosis LD50, also die akute (kurzdauernde) Strahlendosis, die statistisch bei 50 Prozent der exponierten Organismen zum Tode führt, liegt bei diesen Bakterien bei über 10.000 Gy; ein Teil der Organismen überlebt sogar akute Strahlendosen von bis zu 17.500 Gy.[2] Zum Vergleich: Menschen haben bei einer akuten Bestrahlung ab 6 Gy ohne massive medizinische Intensivversorgung kaum Überlebenschancen (bis zu 90 % Letalität); bei einer Strahlendosis von 7–10 Gy sterben 100 Prozent der Betroffenen innerhalb von ein bis zwei Wochen (LD 100/14). Siehe hierzu auch den Artikel Strahlenkrankheit. In einem Experiment auf der ISS konnte das Bakterium drei Jahre lang im All überleben, was beispielsweise die Panspermie-Hypothese bestärkt.[3][4]

Wegen seiner Eigenschaften wird es auch Conan, das Bakterium genannt,[5][6] nach dem gleichnamigen Filmheld aus Conan der Barbar, der mehrfach dem fast unausweichlichen Tode entkommt.

Deinococcus radiodurans wurde 1956 von Arthur W. Anderson entdeckt, als man Fleischkonserven mit ionisierender Strahlung behandelte, um Keime abzutöten. Dabei wurde das Bakterium durch die recht hohe, aber für dessen eigene Verhältnisse vergleichsweise geringe, Strahlendosis nicht abgetötet und wurde daraufhin eingehender untersucht. Man stellte eine bislang unbekannte Resistenz gegen Ultraviolett- und Röntgenstrahlen fest.

Deinococcus radiodurans und seine engen Verwandten sind sprichwörtliche Generalisten und Weltenbummler: Neben den Fleischkonserven sind sie auch in Gewebe von atlantischem Schellfisch, Lamakot, antarktischem Gestein und anderen unwirtlichen Orten zu finden. Sie bilden, zusammen mit Cyanobakterien der Art Chroococcidiopsis, eine besondere Gruppe von Organismen, die befähigt ist, unter den härtesten Lebensbedingungen zu gedeihen (Extremophile). Sie sind in der Lage, auch an den lebensfeindlichsten Orten der Welt ökologische Nischen zu finden, und sind deshalb ubiquitär verbreitet, unter anderem auch im Kühlwasserkreislauf von Atomreaktoren sowie im Darm von Menschen.[7][8]

Das Genom von D.radiodurans besteht aus 4 zirkulären Molekülen:

Man vermutet, dass das Chromosom II für den Organismus essentiell ist.[9]

Strahlenresistenz

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Hauptverantwortlich für die extreme Strahlenresistenz gegen ionisierende Strahlung ist die Fähigkeit, defekte DNA außergewöhnlich effizient zu reparieren.[10][8] DNA und Teile von Chromosomen, die durch Mutagene wie Strahlung, chemische Einwirkung oder auch zufällige Ursachen Schaden erlitten haben, werden mit Hilfe von bestimmten Enzymen besonders schnell und effektiv wieder instand gesetzt. Dieser Reparaturmechanismus erlaubt sogar das Beheben von Doppelstrangbrüchen, einer besonders schweren Form der DNA-Schädigung. Auf diese Weise ist Deinococcus radiodurans in der Lage, gleichzeitig 500 solcher Reparaturen auszuführen, während beispielsweise das Darmbakterium Escherichia coli allenfalls zwei bis drei schafft. D. radiodurans verfügt über vier Kopien des Genoms in der stationären Phase und über acht bis zehn Kopien während des exponentiellen Wachstums. Auch andere Bakterien haben multiple Genomkopien (Micrococcus luteus, Micrococcus sodonensis), diese sind aber strahlensensitiv. Daher hat die Vielfachheit des Genoms alleine keinen Einfluss auf die Strahlenresistenz.[11] Bislang sind die molekularen Gegebenheiten, die diese ungewöhnliche Reparaturleistungen ermöglichen, noch nicht hinreichend aufgeklärt. Eine Rolle dürfte dabei die ringförmig angeordnete DNA spielen, welche die durch Bestrahlung herausgebrochenen Stücke des Erbguts daran hindert, in der Zellflüssigkeit fortgeschwemmt zu werden.[5]

Außerdem besitzt das Bakterium eine sehr starke Zellwand, die es auch vor UV-Strahlung schützt.

Ein weiteres extrem strahlungsresistentes Bakterium ist das halophile Halobacterium sp. NRC-1, von dem es Mutanten gibt, die akute Strahlendosen von bis zu 11.000 Gy überleben.[12]

Für Astrobiologen, die nach Spuren außerirdischen Lebens suchen, sind Überlebenskünstler wie Deinococcus radiodurans und Chroococcidiopsis von großem Interesse, da es denkbar ist, dass solche Organismen verborgen in Meteoritgesteinen unversehrt weite Reisen durch das Weltall überleben könnten.[13][14] Dies würde die Hypothese der Panspermie stärken, die besagt, dass einfache Lebensformen in der Lage sind, Reisen großer Distanzen durch das Universum überleben zu können. Einige könnten so vor etwa 3,5 Milliarden Jahren den Weg zur Erde gefunden und so den Ursprung des Lebens auf diesem Planeten gebildet haben. In einem Experiment außerhalb der ISS konnten die Bakterien drei Jahre im All überleben.[3][4]

Informationstechnik

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Ihre besondere Widerstandsfähigkeit gegen schädigende Einwirkungen aller Art könnte Deinococcus radiodurans für die Anwendung als Datenspeicher in der Informationstechnologie interessant machen. So wird derzeit erforscht, wie Daten in Form künstlicher DNA in den Bakterien gespeichert und wieder abgerufen werden können. US-amerikanische Informatiker übersetzten den Text des englischen Kinderliedes It’s a Small World in den genetischen Code und schleusten die entsprechende DNA-Sequenz in das Erbgut der Bakterien ein. Noch nach etwa hundert Bakteriengenerationen ließen sich die Strophen in unveränderter Form mit üblicher Sequenziertechnik wieder auslesen, d. h., die eingebrachte Information wurde stabil abgespeichert und zusätzlich wurde durch die Vermehrung der Bakterien ihre Redundanz erhöht.[15]

Einzelnachweise

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  1. KS Makarova, L Aravind, YI Wolf, RL Tatusov, KW Minton, EV Koonin, MJ. Daly: Genome of the extremely radiation-resistant bacterium Deinococcus radiodurans viewed from the perspective of comparative genomics. In: Microbiol Mol Biol Rev. Band 65, Nr. 1, März 2001, S. 44–79, PMID 11238985.
  2. MJ Daly, KW. Minton: Recombination between a resident plasmid and the chromosome following irradiation of the radioresistant bacterium Deinococcus radiodurans. In: Gene. Band 187, Nr. 2, März 1997, S. 225–229, PMID 9099885.
  3. a b Ashley Strickland: Bacteria from Earth can survive in space and could endure the trip to Mars, according to new study In: CNN News, 26. August 2020 
  4. a b Yuko Kawaguchi et al.: DNA Damage and Survival Time Course of Deinococcal Cell Pellets During 3 Years of Exposure to Outer Space. In: Frontiers in Microbiology. 11. Jahrgang, 26. August 2020, doi:10.3389/fmicb.2020.02050.
  5. a b Lukas Wieselberg: Strahlungsresistent: Conan, das Bakterium. In: science.ORF.at. Januar 2003, abgerufen am 21. Juli 2014 (Basierend auf Ringlike Structure of the Deinococcus radiodurans Genome: A Key to Radioresistance? In: Science, Band 299, S. 254).
  6. Patrick Huyghe: Conan the Bacterium. In: The Sciences. New York Academy of Sciences, Juli 1998, S. 16–19 (englisch, usuhs.edu [PDF; abgerufen am 25. Juli 2014]).
  7. E.M. Bik, P.B. Eckburg, S.R. Gill, K.E. Nelson, E.A. Purdom, F. Francois, G. Perez-Perez, M.J. Blaser, D.A. Relman: Molecular analysis of the bacterial microbiota in the human stomach. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 103, Nr. 3, 17. Januar 2006, S. 732–737, PMID 16407106.
  8. a b R. Froböse: Wenn Frösche vom Himmel fallen: die verrücktesten Naturphänomene. Wiley-VCH, Weinheim 2007, ISBN 978-3-527-31659-5, S. 19 ff. (books.google.de).
  9. Owen White et al.: Genome Sequence of the Radioresistant Bacterium Deinococcus radiodurans R1. In: Science. Band 286, Nr. 5444, 19. November 1999, S. 1571–1577.
  10. M Blasius, S Sommer, U. Hübscher: Deinococcus radiodurans: what belongs to the survival kit? In: Crit Rev Biochem Mol Biol. Band 43, Nr. 3, 2008, S. 221–228, PMID 18568848.
  11. Harsojo, S. Kitayama, A. Matsuyama: Genome multiplicity and radiation resistance in Micrococcus radiodurans. In: Journal of Biochemistry. Band 90, Nr. 3, 1981, S. 877–880, PMID 7309705.
  12. LC DeVeaux, JA Müller, J Smith, J Petrisko, DP Wells, S. DasSarma: Extremely radiation-resistant mutants of a halophilic archaeon with increased single-stranded DNA-binding protein (RPA) gene expression. In: Radiat Res. Band 168, Nr. 4, Oktober 2007, S. 507–514, PMID 17903038.
  13. B. Diaz et al.: Microbial survival rates of Escherichia coli and Deinococcus radiodurans under low temperature, low pressure, and UV-Irradiation conditions, and their relevance to possible Martian life. In: Astrobiology. Band 6, Nr. 2, April 2006, S. 332–347, PMID 16689650.
  14. Comparative Survival Analysis of D. radiodurans, N. magadii, and H. volcanii Exposed to Vacuum Ultraviolet Irradiation. spaceref.com, abgerufen am 5. Oktober 2011.
  15. Strahlenresistente Bakterien als dauerhafte Datenspeicher. In: Netzeitung. 10. Januar 2003, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Februar 2013; abgerufen am 11. Februar 2009.